Mein ganz persönliches Mauerfall Erlebnis

Im Jahre 1989 erlebte ich den Mauerfall in New York. Ich hatte meinen Job als Produktmanagerin gekündigt, um mich in New Yorks Garment District mit diversen Praktia selbst zu internationalisieren. Besser vorbereitet sein auf meine geplante Selbstständigkeit, das war mein Ziel.

Eine Freundin lebte in New York und suchte zu der Zeit eine neue Wohnung. “Ich komme und wir zahlen die Miete zusammen” – das war meine Chance einzutauchen, in ein amerikanisches Alltags Setting. Meine Eltern waren in heller Aufruhr. “Unsere Doris geht nach Amerika!” Meine Mama sagte nur immer: ,,Wovon hat das Kind das?” Diese Antworten auf alle Doris Dinge haben wir bis heute nicht geklärt, mal ist es von Papa, mal von Opa, oder man weiß es nicht. Das ist auch gut so!

Von Amsterdam nach New York, der Aufbruch in eine aufregende Zeit. Wie nachhaltig aufregend, erahnte ich zu diesem  Zeitpunkt noch nicht.

Das Leben in New York, besser gesagt in Queens und dort im Borough Kew Gardens war anfänglich sehr anders.

Mein neues Zuhause lag in einem multi-kulti Wohnkomplex, das empfand ich als sehr spannend. Der Kampf mit täglichen Kakerlaken in der Dusche empfand ich dagegen als eher eklig. Ich kaufte alle Insektizide und schrubbte und putzte wie verrückt, es dauerte einige Wochen bis sich Erfolge einstellten. Was lange währt wird endlich gut. Aber man wird gelassener, denn möblierte New Yorker Altbauten waren damals einfach so wie sie waren, kleine Tiere gehörten eben dazu. Ich lebte in einem sehr jüdisch-orthodox geprägten Stadtteil und ich lernte den Sabbat als Feiertag der Woche kennen. Alle verfügbaren Läden waren koscher und meine neuen Brötchen waren die Bagels. Die Zeit war sehr intensiv, ich erinnere mich, dass ich mich am Anfang nicht traute auf ein “Where do you come from?” mit “From Germany” zu antworten. Denn ob meiner roten Haare und Sommersprossen wurde ich oft für eine Irin gehalten, aber mit der Zeit merkte ich, dass es keine Vorbehalte gegenüber Deutschen gab. Ich gab meine Befangenheit auf und arbeitete am Völkerverständnis.

So verging Woche um Woche. Ich pendelte nach Manhatten in den Garment District und lebte in meinem beschaulichen Kew Gardens, Queens.

Aber dann änderte sich alles

Ich erinnere mich genau, es war Donnerstag Abend und meine Freundin und ich waren in Manhatten mit Freunden in der Clubszenze verabredet. Erst war es wie immer, Essen, Small Talk, Disco. Aber dann in kürzester Zeit gab es nur noch eine Nachricht: “The fall of the Berlin Wall”. Es war surreal, es verbreitet sich wie ein Lauffeuer, ich konnte es gar nicht glauben, war es vielleicht ein Scherz, oder eine Fehlinformation? Ich wollte nur noch einen Fernseher und CNN schauen, um zu verstehen, was bei uns in Deutschland los war. Mittlerweile kamen immer mehr Menschen auf uns zu, es hatte sich rumgesprochen, daß wir Deutsche sind und sie fragen uns in dieser Nacht “Are u from West or East Germany?”. Bis vor einigen Stunden wussten die meisten nicht einmal, daß es ein geteiltes Deutschland gab, aber so tickt Amerika.

Wir brachen auf nach Queens, vorbei am Times Square, der Mauerfall auf allen Kanälen, ich war überwältigt, es beschlich mich ein Gefühl von großem Patriotismus. Mein Land – ein Land, es war ein wunderbarers Gefühl.

In der Wohnung angekommen strömten die CNN Bilder auf mich ein und mir wurde klar: Ich gehöre jetzt nach Deutschland, ich will dabei sein. So kam es denn, daß ich zeitnah aufbrach – in die Heimat nach dem Mauerfall.

Das Gefühl, daß die Welt sich verändert hatte wollte ich spüren, ich wollte mich einbringen in das neue Deutschland.

Sich einbringen ist nicht immer ganz leicht, aber es lohnt sich!

Epochale Veränderungen sind einschneidene Erlebnisse, auf die man sich mit offenem Visier geduldig einlassen muss.

Unser Deutschland ist wunderbar, es ist facettenreich und vielfältig. Wenn ich eins in den USA gelernt habe, ist es, dass Diversität eine Nation bereichert – und ich gehe noch weiter – genau das macht auch unser Europa stark!